Deutsche Deckungslöcher und amerikanische Foxholes am Kall-Trail

In den Historisch-literarischen Wanderwegen, die Achim Konejung vor längerer Zeit entwickelt hatte, sind auf dem Wanderweg 4 „Kall-Trail“ Deckungslöcher verzeichnet, die auf der Strecke vom Kalltal nach Schmidt und Kommerscheidt zu sehen sind. Weitere Deckungslöcher befinden sich auch am Kall-Trail von Vossenack bis hinab zur Kall.

Wolfgang Wegener, inzwischen pensionierter ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter des LVR hat zu den Deckungslöchern in einem Buch über „Hürtgenwald – Perspektiven der Erinnerung“ angemerkt: „Im Zuge der Erfassung konnten anhand der erhaltenen Befunde des Stellungsbaues deutlich die Unterschiede zwischen deutschen und amerikanischen Bautechniken festgestellt werden, was bei der Identifizierung und Zuordnung vorgefundener Relikte behilflich war. Auffallend ist bei den US-Feldstellungen das vollständige Fehlen von Deckungsgräben. Auch sind die deutschen Schützenlöcher kreisrund und tief in die Erde gegraben, während die Foxholes rechteckig und wesentlich flacher sind. Charakteristisch sind die unterschiedlichen Formen dieser Foxholes. Je nach Größe wird unterschieden nach one-man- bis hin zu four-men-foxholes.“

Problematisch ist heutzutage, dass vor der kompletten Reformation des Internationalen Hürtgenwaldmarsches Reenactment-Akteure Deckungslöcher am Kall-Trail zum Teil zerstört oder auch selbst gebuddelt haben. Sie haben damit gegen den Bodendenkmalschtz verstoßen und hätten von der Gemeinde Hürtgenwald angeklagt werden sollen. Die Universität Osnabrück, die ein mehrjähriges Forschungsprojekt zu der Konfliktlandschaft Hürtgenwald durchgeführt hat, hat sich darin auch zu den „dramatischen Zerstörungen von Bodendenkmälern“ geäußert:

Die Kämpfe erstreckten sich über ein Gebiet von mehr als einhundert Quadratkilometern und haben Gewaltorte und eine Landschaft hinterlassen, in die Spuren des Krieges bis heute eingeschrieben sind. Als “Schlachtfeld” bleibt der Hürtgenwald zugleich geprägt von einer weitgehend revisionistischen Erinnerungskultur, die wenig differenziert mit dem historischen Kontext und wenig kritisch mit Gewalt, Krieg und Militär umgeht.

Sie bildet den Nährboden für die Praktiken der Raubgräber/innen, die auf dem ‚Schlachtfeld‘ Trophäen suchen, die Praktiken der Re-enactor, die glauben, Geschichte durch das Nachspielen der Gewalt am Schauplatz zu verstehen oder an der Aura eines ‚Schlachtfeldes‘ zu partizipieren, die große Beliebtheit, der sich Orte wie das Grab des Nazi-Generals Walter Model bei militaristisch und rechtsextrem eingestellten Besucher/innen der Region erfreuen, oder regelmäßige Kundgebungen, die einer unkritischen und revisionistischen Heldenverehrung Vorschub leisten.

Die letztgenannten Phänomene befeuern vor allem eine fehlgehende Bedeutungsaufladung des ‚Schlachtfeldes‘. Damit eng verwoben haben sich die Aktivitäten von Raubgräber/innen und Re-enactor-Gruppen nicht allein zu wesentlichen Faktoren eines verfehlten Zugangs zur Geschichte entwickelt. Sie verursachen auch beträchtliche Zerstörungen von archäologischen Funden bzw. Befunden sowie Bodendenkmälern.  

Diese Probleme bleiben bisher weitgehend ungelöst. Zugleich zeigt sich nun eine weitere Bedrohung des historischen Ortes ‚Hürtgenwald‘ aus ganz anderer Richtung. Das Ineinandergreifen von Sturmschäden, Trockenperioden und dem Befall durch Borkenkäfer führt zu ausgreifenden Waldschäden und insbesondere zu einem rapiden Absterben der Nadelwaldbestände in weiten Teilen Deutschlands – so auch im Hürtgenwald.

Nach dem Befall sterben die Bäume, es folgen die Abholzung bzw. die Bergung der Stämme, zurück bleiben Freiflächen bzw. entwaldete und durch die Fällarbeiten geradezu verwüstete Areale, die sich mit schnell wachsenden, undurchdringlichen Sträuchern und Bodendeckern füllen. 

Diese ökologische Katastrophe ist auch eine Katastrophe für den historischen Schauplatz der ‚Schlacht im Hürtgenwald‘. Zum einen sind Spuren der Kämpfe an der Bodenoberfläche, die zu den wichtigsten Quellen für die Forschung zählen und erst seit wenigen Jahren auch durch eine kritische Pädagogik für die Gestaltung eines Lernortes an einem solchen Gewaltort erschlossen werden, nun auf dramatische Art und Weise Erosionsprozessen ausgesetzt. Zum anderen aber zerstören die Baumfäll- und Bergearbeiten in den betroffenen Waldstücken großflächig und schnell wichtige Befunde und Bodendenkmäler – ein einzigartiges kulturelles Erbe – unwiederbringlich.

Das Zitat von Manfred Wegener findet sich in seinem Aufsatz: Beispielhafte Kriegsrelikte und Erinnerungsobjekte im Hürtgenwald, in: Karola Fings / Frank Möller (Hrsg.) Hürtgenwald – Perspektiven der Erinnerung, S. 182-202, hier S. 184. Der Text der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Konfliktlandschaften der Uni Osnabrück findet sich unter: https://www.konfliktlandschaften.uni-osnabrueck.de/iak_working_paper_berichte/iak_short_report_nr_4.html

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