Die Katholische Kirche St. Josef steht am Kreuzungspunkt der Hauptdurchgangsstraße von Vossenack mit der Nord-Süd-verlaufenden Wegeverbindung zum Kalltal. Bereits für das Jahr 1719 ist am Standort der heutigen Kirche eine Kapelle beurkundet. Der Grundstein für den neugotischen Kirchenbau wurde am 15. Juni 1869 gelegt.
Die Kirche war im Winter 1944/45 stark umkämpft. Sie wurde, ebenso wie der Ort Vossenack, während der Kampfhandlungen stark beschädigt und 1952/53 nach Plänen des Architekturbüros A.&W. Dickmann in vereinfachter Form wiedererrichtet. Es handelt sich um ein einschiffiges, aus Bruchsteinen gemauertes Kirchengebäude mit Westturm. Die Kirche wurde aufgrund der Kampfhandlungen zudem neu geweiht.
Seit Ende der 1950er-Jahre wurde die Kirche St. Josef unter Pfarrer Matthias Hegger zu einem zentralen Gedenkort des „Familienverbands ehemaliger Angehöriger der Windhund-Division (116. Pz.-Div.) e.V.“ ausgebaut. So beteiligte sich der Verband 1958 finanziell bei der Anschaffung der St. Michael Glocke. Ebenfalls 1958 erhielt die Kirche an der Westfassade eine Türe mit Schriftzug im unterem Bereich: „Zum Gedenken an die 68 000 deutschen und amerikanischen Opfer der Schlachten in der Umgebung von Vossenack“.
1961 wurde von dem Veteranenverband ‚Windhunde‘ ein Fenster gestiftet, das einen Pelikan zeigt, der seine Jungen mit seinem eigenen Blut speist, ein Symbol für den Opfertod Christi. Darunter ließ der Veteranenverband drei Tafeln installieren, auf denen der Tod der Angehörigen der ‚Windhund‘-Division zum Opfertod verklärt wird. Die Überschrift lautet „Der Tod ist die Pforte zum Leben“. Damit wird eine Brücke vom Opfertod Christi zu den Angehörigen der 116. Panzerdivision der Wehrmacht geschlagen Im Kontext mit den vorab genannten Aktivitäten des Veteranenverbandes erhielt die Kirche die heute umstrittene Bezeichnung „Sühnekirche“.
Eine Kommentierung der Überformung der Kirche durch Angehörige der 116. Panzerdivision in den 1950er und 1960er Jahren blieb über Jahrzehnte unkommentiert. Erst im Jahr 2023 wurden nach Kontroversen mit dem derzeitigen Pfarrer Lautenschläger und in Übereinstimmung mit dem Bistum Aachen sowie dem LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte zwei Informationstafeln in der Kirche angebracht, die den Kontext mit der Wehrmachtdivision endlich historisierten.
Außerdem wurde befürwortet, dass die drei problematischen Metall-Tafeln („Der Tod ist die Pforte zum Leben“) aus dem Kirchenraum entfernt werden, neben den Erklärungstafeln des LVR aufgehängt und damit quasi musealisiert werden. Der Text auf den Informationstafeln lautet:
„Erinnerungsort zwischen Verklärung und Debatte: Die Pfarrkirche St. Josef in Vossenack entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem wichtigen Gedenkort des „Familienverbandes ehem. Angehöriger der Windhund-Division (116. Panzer-Division) e.V.“. Pfarrer Matthias Hegger (1905-1988) pflegte engen Kontakt zu dessen Mitgliedern. In den 1950er Jahren etablierte sich eine intensive Zusammenarbeit. Im Kirchengebäude fanden Gedenk- und Bittgottesdienste für die 116. Panzerdivision statt. Um die Jahrtausendwende setzte eine Debatte über die unreflektierte Erinnerung an die „Windhunde“ in der Pfarrkirche und im Hürtgenwald ein. Heute kann St. Josef auch als Ort der Diskussion über angemessene Formen des Gedenkens dienen.
Wer waren die „Windhunde“? Die 116. Panzerdivision der Wehrmacht nahm unter anderem an den 1944/1945 stattfindenden Gefechten um Aachen und im Hürtgenwald teil. Die NS-Propaganda machte sie unter der Selbstbezeichnung „WindhundDivision“ bekannt. Der Mythos wirkt bis heute nach und erinnert an das von Adolf Hitler formulierte nationalsozialistische Menschenideal: „Flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl“. Die Beteiligung von Angehörigen der Division an Kriegsverbrechen spielte lange keine Rolle. Stattdessen wurde ihr Einsatz als Aufopferung für Deutschland fehlgedeutet.
Ein Fenster, drei Tafeln und ihre Geschichte: 1961 schuf der Dürener Künstler Hermann Gottfried (1929-2015) ein neues Fenster für die Pfarrkirche St. Josef. Es wurde vom „Familienverband ehem. Angehöriger der Windhund-Division (116. Panzer-Division) e.V.“ gestiftet und mit deren Emblem versehen. Das Fenster zeigt einen Pelikan, der seine Jungen mit dem eigenen Blut füttert. In der biblischen Darstellung verkörpert das Motiv die mit dem Tod Christi verbundene Erlösung der Menschen. Der Familienverband bediente sich dieser Deutung und stilisierte den Einsatz der 116. Panzerdivision unter nationalsozialistischem Oberbefehl zu einer Erlösertat. Auch die bis 2023 unter dem Fenster hängenden drei Gedenktafeln greifen das Erlösungsmotiv auf. Ihr Text legt eine Parallele vom Opfertod Christi zum vermeintlichen Opfertod von Wehrmachtsoldaten nahe. Das Kirchenfenster und die Gedenktafeln sind Ausdruck ihrer Zeit und heute als museale Objekte zu betrachten. Sie stehen für einen zwar nicht unumstrittenen, aber doch zeittypischen Umgang mit der Rolle der Wehrmacht und der eigenen Vergangenheit. Allzu häufig fanden die im nationalsozialistischen Angriffs- und Vernichtungskrieg verübten Verbrechen in der Erinnerung der Miterlebenden keinen Platz. Auch die auf den Tafeln enthaltene Mahnung zum Frieden lud das Kriegsgeschehen verfälschend nachträglich mit Sinn auf. Die Stiftung des Fensters war Teil einer Reihe von gemeinsamen Projekten, die den Zusammenhalt innerhalb des Verbandes und dessen Verschränkung mit der Pfarrgemeinde zeigte. Zu den Fehldeutungen gehören auch die bronzenen Türen des Hauptportals (1958) mit zu hohen Angaben über die Opferzahl in der Umgebung.“Der Text wurde weitgehend dem Eintrag in dem Portal des LVR ‚Kultur.Landschaft.Digital“ (KuLaDig) entnommen: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-332600 . Außerdem wurden die Erklärungen der zwei vom LVR erstellten Tafeln übernommen: https://frank-moeller.eu/wp-content/uploads/2023/03/Vossenack-Informationstafeln_St.-Josef.pdf
The Catholic Church of St. Joseph stands at the intersection of the main thoroughfare of Vossenack and the north-south route to the Kalltal valley. A chapel on the site of today’s church is documented as early as 1719. The foundation stone for the neo-Gothic church building was laid on June 15, 1869.
The church was heavily fought over in the winter of 1944/45. Like the village of Vossenack, it was severely damaged during the fighting and rebuilt in 1952/53 according to plans by the architectural firm A.&W. Dickmann in a simplified form. It is a single-nave, quarrystone church building with a west tower. The church was also reconsecrated due to the fighting.
Since the end of the 1950s, St. Josef’s Church has been developed into a central memorial site for the “Family Association of Former Members of the Greyhound Division (116th Pz.-Div.) e.V.” under Pastor Matthias Hegger. In 1958, the association contributed financially to the purchase of the St. Michael bell. Also in 1958, the church received a door on the west façade with lettering at the bottom: “In memory of the 68,000 German and American victims of the battles in the Vossenack area”.
In 1961, the veterans‘ association ‚Greyhounds‘ donated a window showing a pelican feeding its young with its own blood, a symbol of Christ’s sacrificial death. Below it, the veterans‘ association had three plaques installed on which the death of the members of the ‚Greyhound‘ division is glorified as a sacrificial death. The caption reads “Death is the gateway to life”. This builds a bridge from the sacrificial death of Christ to the members of the 116th Panzer Division of the Wehrmacht. In the context of the aforementioned activities of the veterans‘ association, the church was given the now controversial name “Church of Atonement”.
A commentary on the transformation of the church by members of the 116th Armored Division in the 1950s and 1960s remained uncommented on for decades. It was only in 2023, after controversy with the current pastor Lautenschläger and in agreement with the Diocese of Aachen and the LVR Institute for Regional Studies and Regional History, that two information boards were installed in the church, which finally historicized the context of the Wehrmacht division.
It was also agreed that the three problematic metal plaques (“Death is the gateway to life”) should be removed from the church, hung up next to the LVR’s explanatory plaques and thus quasi museumized. The text on the information boards reads:
“Place of remembrance between transfiguration and debate: After the Second World War, the parish church of St. Josef in Vossenack developed into an important memorial site for the “Familienverband ehem. Angehöriger der Windhund-Division (116th Panzer-Division) e.V.”. Pastor Matthias Hegger (1905-1988) maintained close contact with its members. Intensive cooperation was established in the 1950s. Memorial and prayer services for the 116th Armored Division were held in the church building. Around the turn of the millennium, a debate began about the unreflected remembrance of the “Greyhounds” in the parish church and in the Hürtgen Forest. Today, St. Joseph’s can also serve as a place of discussion about appropriate forms of commemoration.
Who were the “Greyhounds”? The 116th Panzer Division of the Wehrmacht took part in the battles around Aachen and in the Hürtgen Forest in 1944/1945. Nazi propaganda made it known under the self-designation “Greyhound Division”. The myth still resonates today and is reminiscent of the National Socialist human ideal formulated by Adolf Hitler: “As swift as greyhounds, as tough as leather and as hard as Krupp steel”. The involvement of members of the division in war crimes did not play a role for a long time. Instead, their commitment was misinterpreted as sacrifice for Germany.
One window, three panels and their history: in 1961, the Düren artist Hermann Gottfried (1929-2015) created a new window for the parish church of St. Joseph. It was donated by the “Familienverband ehem. Angehöriger der Windhund-Division (116th Panzer-Division) e.V.” (Family Association of Former Members of the Greyhound Division (116th Panzer Division)) and bears their emblem. The window shows a pelican feeding its young with its own blood. In the biblical depiction, the motif embodies the redemption of mankind associated with the death of Christ. The family association used this interpretation and stylized the deployment of the 116th Panzer Division under National Socialist supreme command as an act of redemption. The three memorial plaques hanging under the window until 2023 also take up the redemption motif. Their text suggests a parallel between the sacrificial death of Christ and the supposed sacrificial death of Wehrmacht soldiers. The stained glass window and the memorial plaques are an expression of their time and can be viewed as museum objects today. Although not uncontroversial, they represent a way of dealing with the role of the Wehrmacht and its own past that was typical of the time. All too often, the crimes committed during the National Socialist war of aggression and extermination were not remembered by those who witnessed them. The admonition for peace contained on the plaques also falsified the events of the war by adding meaning after the fact. The foundation of the window was part of a series of joint projects that demonstrated the cohesion within the association and its links with the parish community. The bronze doors of the main portal (1958) with excessive information about the number of victims in the surrounding area are also among the misinterpretations. “The text was largely taken from the entry in the LVR’s ‘Kultur.Landschaft.Digital’ (KuLaDig) portal: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-332600 . In addition, the explanations of the two panels created by the LVR have been adopted: https://frank-moeller.eu/wp-content/uploads/2023/03/Vossenack-Informationstafeln_St.-Josef.pdf